Die Geschichte der Eva Klein (1848-1925)
Die Geburtsstunde der Kleinschen Höfe

Prolog

Der Namensgeber der Kleinschen Höfe, Wilhelm Klein, kam 1872 aus dem pfälzischen Dorf Edenkoben  nach Darmstadt. Hier eröffnete er in der Erbacher Straße ein Malergeschäft. 1891 war er zu so viel  Wohlstand gekommen, dass er das Grundstück Elisabethenstraße 68 mit der ehemaligen Turn und  Taxis‘schen Poststation kaufen konnte. Er machte es zum Sitz seines florierenden Malergeschäfts. Und  zehn Jahre später hatte er bereits die angrenzenden Grundstücke bis zur Landgraf-Philipps-Anlage  eingegliedert und zu dem heutigen Gelände der Kleinschen Höfe arrondiert.

Wilhelm Klein musste für diesen Traum hart arbeiten. Das Schicksal legte ihm und seiner Frau Eva nichts in den Schoß. Mit den Grundstückskäufen sicherten sie ihren Wohlstand und die Zukunft ihrer Kinder. Aber vor allem schufen sie sich eine Heimat in dieser neuen Stadt. Das war der Beginn der Kleinschen Höfe.

–>zur Leseprobe (von Silvia Dominguez)

Eva Klein, geb. Simon – Ein typisches Frauenleben

Das einzige Bild, das von Eva Klein, geborene Simon, existiert, zeigt sie 1923 mit ihrer Familie bei ihrer Goldenen Hochzeit. Sie sitzt neben ihrem Mann Wilhelm Klein im hochgeschlossenen schwarzen Kleid, die kräftigen Hände im Schoß gefaltet, und wirkt verloren. Um sie herum haben sich ihre Kinder und Enkel für den denkwürdigen Anlass aufgestellt, aber Eva scheint mit ihren Gedanken woanders. Mag sein, dass sie an ihren Hochzeitstag denkt. Vielleicht lässt sie aber auch ihr Leben Revue passieren. Ein Leben, das ihr zwar Wohlstand beschert, ihr aber auch viel abverlangt hat. Und das ihre Gesichtszüge tief gefurcht und scharf gezeichnet hat.

Keine Familie, keinen Beruf

Eva Klein stammte wie Wilhelm Klein aus Edenkoben in der Pfalz. Im Ortsteil Böchingen wurde sie 1848 als Tochter eines Hufschmieds geboren. Vielleicht hatten sich Eva und Wilhelm schon in der Dorfschule kennengelernt oder sonntags in der Kirche. Wir wissen nicht, ob sie verliebt waren oder nur vernünftig, als sie den Beschluss fassten, zu heiraten. Die Hochzeit wurde am 22. Juli 1873 gefeiert. Da war Eva fast 25 Jahre alt, ein recht fortgeschrittenes Alter für eine Jungfer vom Dorf. Sie hatte keine Eltern mehr und keinen Beruf, aber sie war patent und an Arbeit gewöhnt, weil das Leben es von einem Mädchen abverlangt, das mit 5 Jahren die Mutter und mit 16 Jahren den Vater verliert. Die Schwestern waren längst verheiratet und mit ihren Familien nach Ludwigshafen und Landau gezogen.

Was für ein unsägliches Glück für Eva, mit Wilhelm in die großherzogliche Residenzstadt Darmstadt zu gehen, das Dorf hinter sich zu lassen, um an der Seite eines tüchtigen Mannes ein besseres Leben aufzubauen!

Nur zwei Kinder überleben

Das Glück blieb nicht ungetrübt. Neun Monate nach der Hochzeit kam Philipp auf die Welt. 17 Monate später, am 8. Oktober 1875, schenkte Eva Klein ihrem Sohn Heinrich das Leben. Zwei stramme Buben, die den Traum des Vaters einmal fortsetzen sollten. Sie waren gesund und gediehen gut. Dafür war Eva immer dankbar. Ihren Schmerz über die anderen Kinder, die nicht bleiben konnten, weil sie für die Welt zu schwach waren, verschloss sie in ihrem Herzen. Eva teilte das Schicksal vieler Frauen in dieser Zeit, in der Tuberkulose, Keuchhusten und Diphterie für eine hohe Kindersterblichkeit sorgten. Vier weitere Kinder, die ab 1877 zur Welt kamen, überlebten das Kleinkindalter nicht.

Mit Strenge und Sparsamkeit

Die Familienlegende spricht davon, dass Eva ein strenges häusliches Regiment geführt habe. Ihre Söhne Philipp und Heinrich mussten stramm stehen, wenn die Mutter rief. Kein Widerwort wurde geduldet. Wenn Eva etwas anordnete, wurde es genau so gemacht. Vielleicht war das die Form, der Welt und dem Schöpfer klar zu machen: Die nimmst du mir nicht weg. Hier halte ich meine Hand drauf. Und mit dieser Strenge und Unerbittlichkeit führte sie auch Haushalt und Finanzen: Sie wirtschaftete sparsam, nichts wurde verschwendet und erst recht nicht verjubelt. Die Erinnerung an das karge, immer nur auf das Nötigste beschränkte Leben ihrer Jugend war noch viel zu lebendig in ihr. Und sie hatte einen Traum: Die Mietwohnungen, die die Familie bewohnte, wurden zwar größer, je mehr sich das Malergeschäft entwickelte, aber es mangelte an Komfort. Eva wünschte sich fließend Wasser, Gaslicht und Heizung im Haus. Und Eigentum. Das Haus sollte ihnen gehören. Der Mensch ist nichts ohne seine Scholle. Und eine Familie braucht einen festen Grund, in dem sie sich verwurzeln kann: Das sollte die Elisabethenstraße 68-70 werden…

Schlagworte: , ,