Büchner-Anlage vor dem Theater wird zur Bühne
Artikel Darmstädter Echo von Charlotte Martin

Artikel Darmstädter Echo 30-08-2010 u.a. über die Performance von Susanne Auslender
Die Liebe zur Kunst trotzt dem Wetter: Von einem Zeltdach geschützt, demonstrierte die Bildhauerin Susanne Auslender den Besuchern der Langen Nacht die Entstehung eines Werkes.
Ein beeindruckendes Schauspiel entfaltet sich am Freitagabend auf der neu gestalteten Georg-Büchner-Anlage. Der strengen Kühle weißer Betonarchitektur zwischen Staatstheater, Mollerhaus und Kuppelkirche St. Ludwig verleihen Besucher und Künstler während der Darmstädter Langen Nacht inspirierende Lebendigkeit. Die städtische Marketinggesellschaft hatte das Fest zur Einweihung des Platzes arrangiert, viele Kultureinrichtungen beteiligten sich am Programm.Das Flanieren von einer Darbietung zur nächsten sowie Gespräche an Stehtischen mit kulinarischem Genuss lassen das Potpourri der Kunst zum Erlebnis aus immer neuer Perspektive werden. Achtsam machen viele Gäste einen ersten Gang übers Herzstück der grünweißen Zebraanlage aus Gras und Beton, wobei man zunächst brav den Steinpfaden folgt. Kinder aber scheuen nicht das sinnliche Vergnügen des Quergehens: von Betonstreifen zu Rasen laufen sie munter über die in drei Stufen terrassierte Fläche. Sie sind es auch, die Glockenklang herbeizaubern: Auf dem seitlichen Kiesweg laden Klangplatten zum Kästchenhüpfen ein. Auch manch Erwachsener lässt sich zum Hopsen animieren. Vorm Mollerhaus treffen die Besucher auf rotnasige Clowns. ,,Mitten ins Herz, juchhu”, rufen sie und werfen einen Ball himmelwärts, als wollten sie mit Schabernack nach regnerischem Nachmittag um besseres Wetter bitten. Auf der großen Bühne vor dem Portal des Staatstheaters geht es ernster zu. Kulturelle und politische Prominenz ist erschienen, als Staatssekretär Gerd Krämer den Theatervorplatz, finanziert vom Land Hessen, offiziell der Öffentlichkeit übergibt: ,,An Kultur zu sparen, hieße, am Leben zu sparen.” Oberbürgermeister Walter Hoffmann skizziert den Platz als einen ,,Ort des Verweilens und der Kultur, durch den Theater und Innenstadt näher zusammenrücken.” Im Vorfeld der Langen Nacht hat Geschäftsführerin Anja Herdel vom Stadtmarketing der Darmstädter Kultur ,,Wetterfestigkeit” bescheinigt. Die braucht sie nun auch. Immer wieder setzt Regen ein, ein Meer aus Schirmen bedeckt die Köpfe. Zum Schutz der Instrumente findet das Konzert des Darmstädter Staatsorchesters im Kleinen Haus statt. Dort sind die Plätze begrenzt, Hoffnung auf Lautsprecherübertragung ins Foyer erfüllt sich nicht: Mozart und Verdi erklingen hinter verschlossener Tür. Später wird für eine Wiederholung gesorgt. Auf der Bühne im Freien spicken die Slam-Poeten Alex Dreppec und Tilman Döring ihre Programmmoderation mit stakkatohaften Reimen aus eigener Feder. Temperamentvoller Flamenco, peppiges Musical-Medley, sprachgewaltige Autorenlesung und junges Theater fügen sich zum künstlerischen Reigen der Profis und Laien. Schranken zwischen den Genres sind heute aufgehoben, was manchem Zuschauer überraschend neue Eindrücke beschert.
Drei Zelte gestaltender Künstler geben Einblick in die Atelierarbeit. Susanne Auslender kreiert eine blumige Holzstatue. Die Kettensäge kreischt, Späne fliegen. Martin Konietschke spachtelt eine hohe grazile Gipsplastik, und Bildhauer Henning Wittmann meißelt eine Skulptur aus Granitstein: ,,Durch das Spiel mit Licht entstehen Höhen und Tiefen gleich dem Dur und Moll der Musik.”Das erhoffte Picknick auf der Zebrawiese indes hätte Sommernachtstemperatur gebraucht, jetzt werden fröstelnd die Anoraks zuknöpft. Dass dennoch so viele Menschen auf dem Platz unterwegs sind, bezeugt den Zauber, den er entfaltet – rund fünftausend Besucher sind nach Schätzung der Veranstalter gekommen. Mit Einbruch der Dunkelheit verwandeln Scheinwerfer die weißen Betonpilze über den Treppenaufgängen der Tiefgarage in schlanke, schimmernde Lichttürme. Besucher zeigen sich bewegt vom unerwartet verträumten Flair. Aber auch Veranstaltungskritik ist zu hören: moniert wird fehlende Bestuhlung im Freien, die Preise für Getränke seien zu hoch, ein Informationstisch mit Ansprechpartnern der Theaterdirektion wird vermisst. Dafür verteilen junge Mitarbeiterinnen Informationen über den Spielplan.Einhelliges Lob gibt es für die Aufführung des ,,Jungen Theaterlabors” unter Regie von Kai Schuber und Max Augenfeld. Die Laiendarsteller räumen unter dem Titel ,,Elefantenleben satt im Porzellanladen” erfrischend frech mit Klischees auf. ,,Die jungen Leute sind sehenswert. Schade, dass man für sie keine Mikrofone bereitgestellt hat”, merkt eine Zuhörerin an. Textpassagen verlieren sich – ein bedauerliches Manko, mit dem der Autor Artur Becker nicht zu kämpfen hat: er liest auf Einladung des Polen-Instituts aus Romanen über Verfolgung, Liebe und Leid eigenwilliger Charaktere aus Masuren. Noch am anderen Ende des Platzes, wo man den Wein an Stehtischen bei illuminierten Wasserspielen genießt, sind seine Worte zu verstehen. Viele Gäste unternehmen einen Abstecher in die katholische Kirche St. Ludwig, wo Orgelmusik und kunsthistorischer Vortrag locken. In changierendem Blau wölbt sich im Innern die Kuppel, feuriges Rot macht die Rotunde zum wärmenden Ort, bevor man wieder hinausschwärmt in die Nacht.

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